Was kommt nach der Flucht
Mithilfe des help alliance Projekts hat Morteza die Chance auf eine Arbeitsstelle und damit einen Neustart in Frankfurt am Main. „In Deutschland muss ich mich nicht verstecken. Dort gibt es eine Perspektive.“ Diese Sätze sagte Morteza oft zu sich selbst. In seinem Heimatland Iran hätte ihm aufgrund seiner persönlichen Einstellung zur Religion die Todesstrafe drohen können. Er sah die Flucht als einzigen Ausweg.
Der heute 33-Jährige musste eine gefährliche Reise antreten: über die Berge im Winter in die Türkei und zwei Jahre später von dort aus mit dem Boot über das Mittelmeer. Das Ziel: Deutschland. Das alles nahm Morteza auf sich, um ein neues Leben zu beginnen. Nun ist er in Frankfurt, aber so wirklich angekommen ist Morteza noch nicht. Obwohl die wirtschaftlich starke Stadt über eine Reihe an Integrationsangeboten verfügt, besteht weiterhin ein großer Bedarf an Begegnungsprojekten zwischen Menschen mit und ohne Fluchterfahrung. „Alles, was ich wollte, war, eine Arbeit zu finden. Aber wie nur? Ich schlug mich mit Gelegenheitsjobs rum und war verzweifelt. Dann erzählte mir eine Freundin von dem Verein ‚Über den Tellerrand Frankfurt‘.“ Da wusste Morteza, dass das seine Chance ist.
Der Verein ‚Über den Tellerrand Frankfurt‘ ist Bestandteil eines Netzwerks gleichnamiger Vereine in verschiedenen Städten Deutschlands, der die gesellschaftliche Teilhabe der Geflüchteten und den Austausch mit Beheimateten fördert. help alliance unterstützt mit dem Projekt „Interkulturelle Tandems für Berufsperspektiven und Freizeitideen“ die beiden Begegnungsprogramme des Vereins Volunteer-Rockets und Karriere-Buddy. In dem Volunteer-Rockets-Programm entwickeln Menschen mit und ohne Fluchterfahrung in kleinen Teams gemeinsam eigene Begegnungsprojekte, die anschließend umgesetzt werden. „Die Grundlage von Karriere-Buddy bilden 1:1-Patenschaften zwischen erfahrenen Arbeitnehmer:innen und Arbeitssuchenden mit Fluchterfahrung. Die Mentor:innen unterstützen bei der Orientierung auf dem Arbeitsmarkt, der Erstellung von Bewerbungsunterlagen und der Vorbereitung auf Bewerbungsgespräche“, erzählt help alliance Projektleiterin Sonja Steinheuser, Purser bei Lufthansa. Bei Karriere-Buddy begegnete Morteza dann Tilman, es sollte eine langfristige Verbindung entstehen. Sie trafen sich ein paar Mal und telefonierten häufig, berichtet Tilman, der bei Lufthansa als Head of Ground Operations in Frankfurt arbeitet: „Wegen Corona war alles etwas schwieriger, trotzdem haben wir es geschafft, uns regelmäßig auszutauschen. Wir schrieben uns und telefonierten oft miteinander.“
In seiner Heimat hat Morteza bereits ein fünfjähriges Studium in Luft- und Raumfahrttechnik abgeschlossen und setzt nun alles daran, sein Wissen endlich in der Praxis anwenden zu können. Doch es ist nicht leicht, in einem fremden Land den richtigen Moment zu finden und die richtigen Menschen anzusprechen. Dabei konnte Tilman Morteza als Mentor im Bewerbungsprozess perfekt unterstützen. „Ich habe viel gelernt von Tilman. Wie man sich bewirbt, Anschreiben verfasst und Kontakt zu Firmen aufnimmt“, erzählt Morteza. Auch Tilman freut sich über die neue Verbindung. Er spendet zwar schon länger an help alliance, aber erst seit kurzem engagiert er sich auch ehrenamtlich und wirkt bei Karriere-Buddy aktiv mit. „Ich habe gemerkt, dass es noch mehr gibt und help alliance auch Projekte in Deutschland fördert, bei denen ich helfen kann. Wenn man nicht aus Deutschland kommt, ist es manchmal schwierig, bei den richtigen Leuten durchzukommen und die richtigen Inhalte zu platzieren.“ Dass Morteza ausgerechnet mit ihm zusammenkam, ist für Tilman eine glückliche Fügung: „Morteza ist ein großer Luftverkehrs-Fan und ich kann ihn mit meinem Netzwerk in dieser Branche prima unterstützten.“ Auch Sonja Steinheuser blickt mit Stolz auf das interkulturelle Tandem: „Es macht mich glücklich zu sehen, wie zwei auf den ersten Blick unterschiedliche Menschen dank des Programms zusammenkommen, voneinander lernen und gemeinsam eine Zukunftsperspektive schaffen.“ Morteza hat schon einige Bewerbungen an Unternehmen verschickt, vor allem in der Luftfahrtbranche. Ohne Tilman, weiß Morteza, hätte er das nicht geschafft: „Tilman hat mir sehr geholfen. Ich konnte ihn immer anrufen und fragen. Tilman ist der Beste.“ Auch wenn die Job-Suche in diesen Zeiten besonders herausfordernd ist, bleibt er optimistisch, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis er eine Arbeitsstelle findet und somit ein neues Leben beginnen kann. Dann ist er wirklich in Deutschland angekommen.
Update Juli 2021
Morteza hat inzwischen einen Job bei Lufthansa Cargo gefunden. Mit dem Einstieg kann er nun weiter Berufserfahrung sammeln und seine Wunschposition herausfinden. Wir sind gespannt wo der Weg von Morteza hinführt!
Der Text wurde erstmalig im Jahresbericht 2020 veröffentlicht.
Die Förderung des Projektes ist mittlerweile abgeschlossen.