10. Januar 2025

Erfolgreicher Projektabschluss in Syrien

In den letzten 2 Jahren konnten in Syrien über 100 Waisenkinder, die ihre Familien im Erdbeben in Idlib im Februar 2023 verloren haben, gerettet werden. Diese Kinder lebten oft wochenlang völlig auf sich gestellt in den Trümmern, ohne Schutz oder Hilfe, suchten nach Essen im Müll, hatten kein Dach über Kopf. Viele der Kinder waren schwer traumatisiert, verletzt oder krank. Das Projekt nahmen die Kinder auf, ließen sie ärztlich untersuchen und behandeln. Einige der Kinder hatten Infektionen, die mit Antibiotika behandelt werden mussten, andere waren so krank, dass sie stationär behandelt werden mussten. Fast alle waren stark mangelernährt und wiesen Verhaltensauffälligkeiten auf, die auf Traumata hinwiesen. Auch psychologisch wurden die Kinder behandelt (einige bis heute) um über das Erlebte und den Verlust von Heimat, Familie und Identität sprechen zu können. Die Heilung dieser Kinder ist noch nicht abgeschlossen, sie und die Familien, die sie aufgenommen haben, brauchen immer noch Unterstützung, aber sie sind auf einem guten Weg.

Drei dieser Kinder sind die Brüder Esat, Phekda und Aadil, deren Geschichte uns von unserer Partnerorganisation zur Verfügung gestellt wurde und die wir gerne teilen möchten:

Die Brüder Esat (10), Phekda und Aadil (Zwillinge, beide 7) haben ihre ganze Familie verloren. Ihr Vater starb schon vor einem Jahr durch Raketenbeschuss, sie lebten mit ihrer Mutter Sama und ihrem eineinhalbjährigen Bruder Abdi in einem Hinterzimmer einer verlassenen Bäckerei, in der es zwar einen Holzofen gab, den sie aber nicht nutzten, da sie sich das Holz zum Anfeuern nicht leisten konnten.

Als das Erdbeben kam, wurde die Mutter mit dem kleinen Bruder in diesem Hinterzimmer verschüttet. Die drei Brüder mussten mitansehen, wie ihre Mutter nach Stunden eingeklemmt unter Trümmern starb. Den kleinen Bruder Abdi brachten sie zu einem Lazarett, wo er operiert wurde, die Kinder dann aber wieder nach Hause geschickt wurden. Im Chaos fragte niemand, ob es ein Zuhause gibt, ob es Erwachsene gibt, die sich um sie kümmern. Unvorstellbar, wie die drei Jungs mit ihrem Bruder auf dem Arm das Lazarett verlassen und keine Ahnung haben, was jetzt passieren wird und was sie tun sollen.

Die erste Nacht verbrachten sie in den Trümmern der Bäckerei bei ihrer toten Mutter. Doch am nächsten Morgen sagte man ihnen, die Bergungsarbeiten würden immer noch laufen und sie könnten hier nicht bleiben. Es mag unvorstellbar sein, dass es kein Amt gab, das zuständig war, kein Auffanglager, in dem sie erst einmal versorgt werden konnten, aber es herrschte Chaos in Idlib, das bereits vor dem Beben ein Kriegsgebiet war.

Esat, Phekda, Aadil und Abdi wussten nicht, wohin. Jede Nacht schliefen sie an einem anderen Ort, tagsüber stromerten sie durch die Ruinenstadt und suchten nach Essbarem. Esat erinnert sich vor allem daran, dass der kleine Abdi ständig weinte. „Wir trugen ihn abwechselnd, aber hörte einfach nicht auf. Und es war so kalt. Und dauernd gab es Nachbeben, die uns große Angst gemacht haben.“ Die drei größeren wissen nicht, ob es Tage oder Wochen waren, die so vergingen, aber eines morgens wachten sie hinter der Werkstatt auf, wo sie sich schlafen gelegt hatten und es war still. Abdi regte sich nicht mehr. Sie hätten minutenlang nicht gesprochen, erzählt Phekda, als jeder für sich allein versuchte zu begreifen, dass ihr kleiner Bruder mit nur 19 Monaten gestorben war.

Die drei Brüder begruben ihren kleinen Bruder Abdi auf einem Feld. Drei Grundschulkinder, ganz alleine, denn Hilfe gab es in dem Chaos nicht. „Das Leben geht weiter“ ist ein Satz, den wir hier in Deutschland gerne sagen, wenn anderen etwas Schlimmes passiert und der trösten soll. Und auch für Esat, Phekda und Aadil ging das Leben einfach weiter. Ohne Eltern. Ohne Bruder. Ohne ein Zuhause. Es gab immer wieder Leute, die fragten, ob sie kein Zuhause mehr hätten, wenn sie bettelten oder Essen stahlen, aber wenn die Jungs das verneinten, wenn sie sagten, sie seien ganz allein, dann gab es nichts, was ihr Gegenüber hätte tun können. Eine Naturkatastrophe mitten im Krieg. Chaos inmitten eines Massakers. Es gab keine Hilfe.

Den ersten Kontakt mit unserer Partnerorganisation hatten die Brüder im Mai, als sie sich bei einer Lebensmittelverteilung anstellten. Dass sie weit mehr als Brot, Saft und Käse brauchten, war deutlich zu sehen. Deshalb sind wir froh, für Esat, Phekda und Aadil eine neue Familie gefunden zu haben, in der sie Geborgenheit und Sicherheit fanden. „Das Leben geht weiter“: Sie wachen jeden Morgen in ihrem Zelt im Pfauencamp auf, wo sie mit ihren neuen Eltern und zwei Schwestern leben, sie essen gemeinsam mit ihrer neuen Familie, besuchen die Pfauenschule, machen am Nachmittag Hausaufgaben und kehren so langsam, Schritt für Schritt zurück in ein ‚normales Leben‘.

Wie die drei Brüder haben über 100 weitere Kinder durch das Pfauencamp die Möglichkeit erhalten, wieder optimistischer in die Zukunft zu blicken und die Grundlage für die Gestaltung ihres zukünftigen Lebens zu legen. Unsere Partnerorganisation hat in diesem besonders herausfordernden Umfeld großartige Hilfe geleistet, Strukturen aufgebaut und Finanzierungsquellen erschlossen, so dass die help alliance-Finanzierung des Projektes Ende 2024 abgeschlossen werden konnte.